Zielarten und Ziel-Lebensraumtypen

Kalkreiche Niedermoore

Niedermoore werden, anders als Hochmoore, durch Grundwasser gespeist und können unter geeigneten Bedingungen eine Vorstufe des Hochmoors darstellen. Niedermoorkomplexe entstehen an dauerfeuchten Standorten, wie in feuchten Senken, in der Nähe von Gewässern, auf Stauhorizonten oder in Quellbereichen. Abhängig von Wasser-, Nährstoffverfügbarkeit und Lage bilden sich unterschiedliche Niedermoortypen aus, von Versumpfungsmooren, über Überflutungsmooren bis hin zu Hangquellmooren. Auf sauren, nährstoffarmen Böden bilden sich dabei oligotrophe, artenarme Moore, während sich auf nährstoffreichen, basischen Böden artenreiche, eutrophe Moore ausbilden (Succow & Joosten 2001, Lamers et al. 2015). Ob oligotroph oder eutroph, Niedermoorbereiche verfügen über eine hohe Anzahl seltener Spezialisten-Arten, welche nicht nur an die schweren Umweltbedingungen angepasst sind, sondern durch das Schwinden geeigneter Lebensräume teilweise stark bedroht und somit auf der Roten Liste aufgeführt sind (z.B. Bauchige Windelschnecke) (Sefferová et al. 2008, Bössneck et al. 2021). Die Thüringer Rhön weist durch ihre nährstoffreichen Muschelkalkböden und umfangreichen Quellen zahlreiche kleinräumige, kalkreiche Niedermoore und Kalkquellbereiche auf, welche eng mit umliegenden Feuchtflächen Lebensräumen (z.B. Pfeifengraswiesen, feuchte Hochstaudenfluren) verzahnt sind.

Kalkreiche Niedermoore und Kalktuffquellen gelten landesweit als einer der gefährdetsten Biotoptypen und sind unter der Flora-Fauna-Habitat (FFH) Richtlinie besonders geschützt. Im Rahmen des Natura 2000-Schutznetzes unterliegen diese Lebensraumtypen nach EU-Recht einem Erhaltungsgebot und Verschlechterungsverbot. Dabei werden Kalktuffquellen sogar als prioritär eingestuft und sind somit vom Verschwinden bedroht. Beide Lebensraumtypen (LRT) sind oft sehr kleinflächig und durch den dominierenden Einflussfaktor Wasser von einem großen Einzugsgebiet abhängig. Sie sind anfällig für schon geringe Entwässerung und Störung (Sefferová et al. 2008, Ellwanger et al. 2020).

Im Sommer beeindruckt das Kalktuffniedermoor Geblar durch seinen Strukturreichtum. [Foto: LPV Rhön]
Das NSG Kalktuffniedermoor Geblar ist der größte Kalktuffniedermoorkomplex in Thüringen und verfügt über beeindruckende Kalksinterterrassen. Die Drohnenaufnahme stammt von Sarah Ziegler und Markus Köplin.

Pfeifengraswiesen

Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, torfigen und tonig-schluffigen Böden (Molinion caeruleae) (FFH-LRT 6410)

Pfeifengraswiesen sind vorwiegend auf basenreichen, teilweise aber auch sauren, nährstoffarmen, feuchten Standorten zu finden. Der halbnatürliche Lebensraumtyp ist hauptsächlich durch späte Herbstmahd auf Streuwiesen entstanden, wobei das Mahdgut aufgrund seines geringen Futterwertes als Einstreu für Ställe verwendet wurde. Pfeifengraswiesen sind durch das blaue Pfeifengras (Molinia caerulea) geprägt (Breit et al. 2023). Durch ihre nassen Standortsbedingungen und das milde Störungsregime weisen sie eine Vielfalt seltener und gefährdeter Arten auf, darunter Färber-Scharte (Serratula tinctoria), Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) und Trollblume (Trollius europaeus) (Peintinger 2000).

Trockenlegungen und landwirtschaftliche Intensivierung (v.a. Düngung) haben den naturkundlich wertvollen Lebensraum in ganz Europa stark dezimiert. Eine extensive Nutzung der Feuchtflächen ist für Landwirte schon lange nicht mehr wirtschaftlich und wurde somit vielerorts aufgegeben. Die darauffolgende Verbuschung des Offenlands verdrängt die artenreiche Pflanzengesellschaft der Pfeifengraswiese (Breit et al. 2023). Tiere, welche in enger Beziehung zu Pflanzenarten der Pfeifengraswiesen stehen (z.B. Wiesenknopf-Ameisenbläuling auf dem Großen Wiesenknopf), verlieren ihren Lebensraum. Gleichzeitig sind Pfeifengraswiesen nur schwer wiederherstellbar, so dass eine Regenerierung und Vergrößerung von Beständen schwierig sind. Somit sind Pfeifengraswiesen naturschutzfachlich von hoher Bedeutung und unterliegen dem besonderen Schutzstatus der FFH-Richtlinie.

Dunkler Wiesenknopf-Ameisen Bläuling

Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisen Bläuling (Phengaris nausithous) ist Zielart des Feuchtflächenprojekts und sitzt hier auf seiner Wirtspflanze dem Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) in der Projektfläche „Mehlweiß“ bei Herpf. [Foto: LPV Rhön]

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) (FFH-Anhang II und IV)

Biologie

Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling ist durch seine parasitäre Lebensweise ein außergewöhnlicher Vertreter der Bläuling-Familie und pflegt eine enge Beziehung zu gleich zwei Wirtsarten. Im Raupenstadium ist der Schmetterling ausschließlich an Beständen des Großen Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) zu finden, dessen Blütenstände alleinige Nahrungsquelle für die Raupe sind. Für die erwachsenen Schmetterlinge dienen sie als Balz- und Eiablageplatz. Erstaunlicherweise unternimmt die Raupe in ihrem finalen Raupenstadium eine vollständige Ernährungsumstellung. Sie lässt sich von der Wirts-Pflanze fallen und von ihrem Hauptwirt, der Roten Knotenameise (Myrmica rubra), in ihr Nest tragen, um sich dort von Ameisenbrut zu ernähren. Das Vorkommen dieses Bläulings beschränkt sich dadurch vollständig auf blühende Bestände des Großen Wiesenknopfs sowie Vorkommen der Roten Knotenameise. Beide Wirtsarten finden sich hauptsächlich in feuchten hochgrasigen Wiesen und Hochstaudenfluren in extensiver Nutzung. Durch intensive Landwirtschaft, Flächenversiegelung, Entwässerung und Verbrachung durch Nutzsaufgabe gehen deutschlandweit die Bestände des des Großen Wiesenknopfs sowie der Roten Knotenameise zurück. Mit ihnen verschwindet auch dieser einzigartige Bläuling.

Gefährdung und Schutzstatus

P. nausithous ist gesetzlich mehrfach geschützt. So ist der Bläuling im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt, wonach besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Mit einer zusätzlichen Aufführung in Anhang IV der FFH-Richtlinie werden außerdem auch Schutzbestimmungen außerhalb der Schutzgebiete geltend gemacht. P. nausithous ist des Weiteren eine Rote Liste Art - auf der Roten Liste der Tagfalter Europas wird es als „potentiell gefährdet“ eingestuft (Van Swaay et al. 2010) und auch auf der Roten Liste Deutschlands befindet er sich auf der Vorwarnliste (Reinhardt & Bolz 2011).

Schmale Windelschnecke

Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior)[Foto: H.Korsch]

Schmale Windelschnecke (Vertigo angustior) (FFH-Anhang II, prioritäre Art)

Biologie

Die europaweit verbreitete Schmale Windelschnecke liebt Licht, Wärme und Feuchtigkeit. So findet sich die wenige Millimeter große Schnecke hauptsächlich in feuchten bis sumpfigen Offenlandstandorten. V. angustior ist stark an Ihren Lebensraum angepasst und gegenüber Veränderungen sehr empfindlich. Sie benötigt eine feuchte, lückige Vegetation auf kalkreichen Böden unter welcher sich die Streuschicht, in der sie lebt, leicht erwärmen kann. Dabei sollte die Streuschicht über eine gewisse Mächtigkeit verfügen, um der Schnecke ein Ausweichen bei zeitweiser Überschwemmung zu ermöglichen. Diese spezifischen Standortsansprüche und ihre geringe Störungstoleranz führen zu einem stetigen Rückgang der Schmalen Windelschnecke. Eine Intensivierung der Landwirtschaft und damit einhergehende Drainage und Überweidung von Feucht- und Nasswiesen haben den Lebensraum der Schnecke massiv dezimiert. Auch Verbrachung und Verbuschung von Feuchtlebensräumen sorgen für eine zunehmende Beschattung der Streuschicht und dementsprechend für einen Rückgang der wärmeliebenden Art. Die Zerstörung der Streuschicht durch bodentiefe Mahd oder Beweidung wird durch V. angustior ebenfalls nicht toleriert (Bogon 2020).

Gefährdung und Schutzstatus

V. angustior wird im Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführt, wodurch besondere Schutzgebiete für die Schnecke mit höchster Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen ausgewiesen werden müssen. Nebst Schutzstatus gemäß der FFH-Richtlinie befindet sich V. angustior auf der Roten Liste Deutschlands und wird dort als gefährdet (Stufe 3), in Thüringen sogar als stark gefährdet (Stufe 2) eingestuft (Bössneck et al. 2021). Selbst Global (Global red list) gilt V. angustior als „potentiell gefährdet“ (ähnlich Vorwarnliste) mit absteigenden Tendenzen (Moorkens et al. 2012).

Bauchige Windelschnecke

Bauchige Windelschnecke (Vertigo moulinsiana) [Foto: H. Korsch]

Bauchige Windelschnecke (Vertigo moulinsiana)

Biologie

Mit nur knapp 2,7 mm Länge bewohnt die Bauchige Windelschnecke fast ausschließlich Feuchtlebensräume z.B. kalkreiche Sümpfe und Moore sowie teilweise mäßig feuchte bis feuchte Wiesenbiotope. Hier lebt die bedrohte Schneckenart in hoher Vegetation, wie z.B. Seggenried oder Binsenbeständen und ernährt sich von Pilzen. Sie verbringt den gesamten Sommer an der Pflanze in >30cm Höhe und zieht sich erst im Winter in die Streuschicht zurück, wo sie im Mulm überwintert. Bedroht wird die Art vor allem durch intensive Landwirtschaft, bei welcher Drainage, häufige Beweidung oder ein verstärktes Mahdregime zu starken Einbrüchen der V. moulinsiana Populationen führen.

Gefährdung und Schutzstatus

V. moulinsiana findet sich in Anhang II der FFH-Richtlinie, wonach besondere Schutzgebiete für die Schnecke mit höchster Priorität für Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen ausgewiesen werden müssen. V. moulinsiana gilt gemäß Roter Liste Deutschlands als stark gefährdete Art (Stufe 2) und findet sich auch global im Rückgang (Killeen 2012). In Thüringen gilt sie sogar als vom Aussterben bedroht (Stufe 1) (Bössneck et al. 2021).

 

²